KONNRAD MÜHE
BADENDE STEINE
25.01. – 8.03. 2015
Eröffnung: Sonntag, 25. Januar 2015, 17 Uhr
Begrüßung
Susanne Jakob M.A., Kunstbeirat
Einführung
Dr. Sven Beckstette, Kunstmuseum Stuttgart
Abb.: Aversion, Installation, Kunsthaus Bethanien, Berlin 2014
Der in Berlin lebende Künstler und Filmemacher Konrad Mühe erzeugt mit seinen im Raum verteilten Videoskulpturen und Installationen, komplexe Ereignis- und Bedeutungsfelder.
Für seine Videoskulpturen greift Konrad Mühe häufig auf filmisches Archivmaterial zurück, auf Found Footage oder auf selbst gedrehtes Material, das immer wieder zur Selbstbefragung und Standortbestimmung herangezogen wird. Neben einfachen, einprägsamen Handlungen, die als Filmstill oder Videofilm in Erscheinung treten wie z.B. ein im Wasser treibender Körper in «Avalanche» (2013), ist ebenfalls ein freier, experimenteller Umgang mit der technischen Apparatur (Projektor, Videokamera) für Konrad Mühes Videoinstallationen charakteristisch.
In den raumbezogenen Arbeiten, werden die technischen Medien nicht mehr allein in dienender Funktion als bloßes Dokumentations- oder Wiedergabeinstrument eingesetzt, sondern auch als performatives Handlungsinstrument oder als eigenständiges ästhetisches Objekt, das in die Installationen integriert wird. In «Autoportrait» (2013) findet die Videokamera zunächst als Untersuchungsinstrument Verwendung, mit der die Körperoberfläche des Künstlers abgetastet und filmisch festgehalten wird. Diese Selbstbefragung wird im Ausstellungsraum von einem Projektor wiedergegeben, der etwa in gleicher Höhe abgehängt ist, wie die über die Schulter hängende Videokamera im projizierten Bild. So werden, nach dem Prinzip von «Schuss und Gegenschuss», die beiden Wirklichkeitsebenen miteinander konfrontiert.
«Bei den Videoskulpturen wird ein Dialog, aber auch ein Konflikt zwischen Projektion als Vorstellungsraum und den realen Objekten als der physischen Welt erfahrbar gemacht».(Zit. Konrad Mühe)
KURZBIOGRAFIE
1982 geboren in Karl-Marx-Stadt
2004 Klasse für Malerei bei Prof. Ute Pleuger an der Burg Giebichenstein Halle/ Saale
2006 Wechsel an die UdK Berlin
2007- 2011 Klasse Prof. Lothar Baumgarten, UdK Berlin
2012 Meisterschüler Prof. Hito Steyerl, UdK Berlin
PREISE / STIPENDIEN
2014-2016 Karl Schmidt-Rottluff Stipendium
2011 Förderpreis für Bildende Kunst des Bundesministerium für Bildung und Forschung
Lobende Erwähnung für «Fragen an meinen Vater» bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin
2006-2012 Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes
Abb.1+2: a version of aversion 2014, Holz, Metall, Beamer,
Video: 2:30 min, Loop Foto: ©Konrad Mühe
Abb.3: Autoporträt 2013, Video: DVD Loop 2:13 min.
Teckbote/Kultur (Kai Bauer) vom 30.1.2015
Unterschiedliche Körper verhandeln den Inhalt
„Beim Malen hat die Verbindung von Hand und Kopf nicht funktioniert, das war zu nah. Daher brauche ich die Kamera, ich muss einen Schritt weiter hinten stehen“, sagt Konrad Mühe, der 2006 vom Malereistudium in Halle zur UdK nach Berlin wechselte und seitdem mit dem Medium Video arbeitet. Seine künstlerische Arbeit besteht aus Videos, die er in Installationen einbaut, und die sich in der Art, wie sie präsentiert werden, mit dem Raum verbinden.
Schon beim Betreten der Ausstellung wird der Besucher mit einer großen Holzplatte konfrontiert, die schräg im Raum aufgestellt ist und eine Art balancierende Wippe mit einer Stahltraverse bildet, auf der ein Videobeamer befestigt ist. Man steht also auch als Betrachter „weiter hinten“, denn man muss zuerst die seltsamen Konstruktionen im Raum entschlüsseln, um an das bewegte und meist farbige Bild heranzukommen. Dieses bildet jeweils den Köder, der den Betrachter wie eine flimmernde Belohnung im Aufbau eines Laborversuchs anlockt.
An der Rückwand des Raumes lehnt ein Flachbildschirm, der wie zufällig im Hochformat am Boden abgestellt wurde und im hinteren Teil der Ausstellung hängt ein Beamer an Stromkabeln von der Decke bis auf die Höhe eines Bauchnabels herab. In der abgedunkelten Mitte des Raumes lockt uns das flirrende Licht der Videoprojektion in einem massiven Block aus Glasscheiben an, ohne dass wir zunächst erkennen können, was der eigentliche Film zeigt. Vier dieser Aufbauten bilden im Ausstellungsraum des Kornhauses eine Art Parcours, den der Besucher durchlaufen kann. Vier Arbeiten erscheinen wenig, sie stellen jedoch eine echte Herausforderung an den Betrachter, der sich jedes mal in die verschiedenen Wahrnehmungsebenen hinein arbeiten muss. Denn Konrad Mühes Konzept ähnelt einem Labyrinth aus ineinander verschlungenen Bahnen, auf die wir mit unseren alltäglichen Wahrnehmungsmustern geführt werden.
Die in die Installationen eingebauten Videos zeigen einfache Objekte und Räume, die in kurzen Szenen verbunden sind. Grundprinzip der Videoclips ist der Loop, also die Endlosschleife, die alle gezeigten Handlungen wieder an ihren Ausgangspunkt zurück führt. Zu sehen sind beispielsweise die Hände eines Jongleurs, die bewegte Schatten auf einer Wand bilden, oder ein menschlicher Körper, der von oben betrachtet im Wasser treibt. In verschiedenen Versionen treibt ihn die Strömung zwischen zwei Steinen hindurch. Auf die diagonale Holzplatte der Installation „a version of aversion“ werden Hände projiziert, die von oben ins Bild kommen. Sie scheinen Schauspieler auf einer kleinen Bühne zu sein und verhalten sich pantomimisch zu einander.
Der auf Bauchnabelhöhe abgehängte Beamer im hinteren Ausstellungsteil zeigt eine Kamera, die sich im Spiegel selbst filmt. Sie hängt dabei an einer Art Marionettengestell auf dem Rücken einer Person herab, die möglicherweise der Künstler selbst ist. Der Körper als Ganzes oder Hände als Körperteile werden in den Videos zu Objekten reduziert. Sie zeigen kaum den subjektiven Ausdruck oder die innere Bewegung, die normalerweise das Genre der künstlerischen Performance, von Tanz oder Schauspiel ausmachen. Konrad Mühe setzt den menschlichen Körper dezidiert als Element der bildenden Kunst ein, wie er auch das Medium Video extrem reduziert, indem er die Handlungsabläufe immer nur als kurze Schleifen zeigt, die mechanisch zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren.
Diese konsequente Fokussierung macht den Videoclip als Element der künstlerischen Installation deutlich und unterscheidet ihn damit formal von herkömmlichen Dokumentations- oder Unterhaltungsmedien. Dieses Medium wird damit etwas grundsätzlich anderes, als beispielsweise die Aufnahme mit dem Smartphone.
Konrad Mühe schafft eine ganz eigene Welt aus Elementen, die er aus der alltäglichen Wahrnehmung in langen Prozessen herausdestilliert hat. Sie werden dabei so stark konzentriert, aber auch manipuliert, dass sie aus ihren Kontexten heraustreten. In der Ausstellung werden sie dann so eigenständig präsentiert, dass der Betrachter genötigt wird, sie wieder in die Kontexte der eigenen Erinnerung einzubauen. Beispielsweise sieht die Stahltraverse, die im Eingangsbereich den Beamer trägt und die große Holzplatte im Gleichgewicht hält, zunächst wie ein Stück industriell gefertigter Eventtechnik aus: sie besteht aus drei Stahlrohren mit diagonalen Verstrebungen, wie man sie beim Aufbau von Konzertbühnen als Träger für Lichtelemente oder Boxen benutzt. Sie ist jedoch kein Fundstück und entspricht auch keiner DIN-Norm, denn der Künstler hat sie eigenhändig zusammengeschweißt. Sie ist kein Ready-Made, aber auch keine Attrappe, denn sie hat die Funktion, den Beamer zu tragen, aber in ihrer Form erinnert sie an eine bereits bekannte Ästhetik. Ebenso ist die Aufnahme des treibenden Körpers, die im Glasblock zu sehen ist, farbig manipuliert, so dass sie wie ein älterer, möglicherweise gefundener Filmausschnitt wirkt.
In Konrad Mühes Wahrnehmungslabyrinth gibt es nicht den einen Weg zum Ziel, sondern es stehen uns zahlreiche Alternativen und neue Assoziationen offen. Oder wie der Künstler es selbst formuliert:
„Die unterschiedlichen Materialien, Oberflächen und Körper und die mit ihnen verbundenen Assoziationen verhandeln den Inhalt“.
Konrad Mühe „Badende Steine“ 25.1. – 8.3. 2015,
Städtische Galerie im Kornhaus Kirchheim unter Teck
Max-Eyth-Strasse 19
73230 Kirchheim unter Teck
http://www.staedtische-galerie-kirchheim-teck.de
Öffnungszeiten
Di 14-17 Uhr
Mi-Fr 10-12, 14-17 Uhr
Sa/So/Feiertag 11-17 Uhr
Faschingsdienstag geschlossen
© Kai Bauer 2015