SEBASTIAN FLEITER

Kirchheim unter Strom
Ein Projekt des Kunstbeirats der Städtischen Galerie 
in Kooperation mit der Stadt Kirchheim unter Teck

21. Juli bis September 2024
Eröffnung: Sonntag, den 21. Juli 2024, 17 Uhr
Grußwort: Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader


Man sagt, Elektrizität sei die Grundlage unserer modernen Gesellschaft.
Aber was ist Elektrizität eigentlich? Woher kommt sie? Was bedeuten Ampere,
Watt und Volt? 

Für die Menschen in Deutschland ist der Umgang mit Strom selbstverständlich. Er ist
Ressource, die auf Knopfdruck endlos aus der Steckdose zu fließen scheint.
Im Laufe eines Tages werden unzählige Schalter gedrückt, Knöpfe bedient, Stecker eingesteckt. Stromausfälle sind selten und wir haben unser Leben an die Verfügbarkeit von Strom angepasst. Einmal im Jahr wird der Stromverbrauch abgelesen und wir bezahlen die abstrakte Größe Strom mit der abstrakten Größe Geld. Sich mit dem Phänomen Elektrizität näher zu beschäftigen, scheint nicht wirklich wichtig zu sein. Es funktioniert ja auch irgendwie.

Dies änderte sich vor einigen Jahren, als ein „Ding“ unser ständiger Begleiter wurde und unseren Umgang mit Strom und unsere Abhängigkeit davon – vehement erfahrbar machte. Smartphones machten uns zu Stromnomaden, die von Steckdosenoase zu Steckdosenoase ziehen. Und ein neues Phänomen entstand: die Nomophobie, die Angst, ohne Mobiltelefon für soziale und geschäftliche Kontakte unerreichbar zu sein. Wie könnte man das Thema Elektrizität besser aufgreifen, als jemandem, dessen Handy auf der Straße leer ist, die Möglichkeit zu geben, es mit selbst erzeugtem Strom wieder aufzuladen?

Zum Aufladen eines Mobiltelefons wird nicht viel Strom benötigt. In der Regel zwischen 5 und 15 Watt über einen Zeitraum von maximal zwei Stunden. Oder 5 Minuten, wenn man nur ein paar Prozent laden will. Der menschliche Körper ist ohne große Anstrengung
in der Lage, allein durch Muskelbewegungen 100 Watt elektrische Energie zu erzeugen.

Grundlage für KIRCHHEIM UNTER STROM ist die Realisierung von muskelkraftbetriebenen Stromgeneratoren im Stadtzentrum. Diese Generatoren orientieren sich inhaltlich und
mechanisch an einer alten Infrastruktur, die noch in vielen Städten zu finden ist:
Öffentliche, handbetriebene Wasserpumpen. Diese Wasserpumpen waren schon immer mehr als eine reine Infrastrukturmaßnahme: Hier hat man sich getroffen und unterhalten, man tauschte sich aus und kommunizierte analog. In diesem Miteinander betätigte der eine den Pumpenhebel, um die Eimer der anderen zu füllen. 


KIRCHHEIM UNTER STROM greift dieses Prinzip und die praktische Umsetzung auf, ersetzt jedoch die Ressource Wasser durch die Ressource Strom. Über eine mit Muskelkraft zu betätigende Mechanik (Hebel, Drehrad o.ä.) wird über ein Getriebe ein Generator angetrieben, der wiederum über eine Steuerelektronik Strom an USB-Standardanschlüsse liefert. An diese können dann Mobiltelefone (oder auch Kameras, Taschenlampen, Boom-Boxen etc.) zum Aufladen angeschlossen werden. An diese können dann Mobiltelefone (oder auch Kameras, Taschenlampen, Boom-Boxen etc.) zum Aufladen angeschlossen werden.

 Diese Strompumpen sind gewissermaßen ein Gegenentwurf zur Digitalisierung des privaten Umfelds, die die persönliche, analoge Kommunikation untereinander minimiert, während die Strompumpe einen realen, sozialen Treffpunkt schafft, an dem sich die Stromsuchenden in physischer Präsenz austauschen können. Die Strompumpe verleiht dem Ort eine neue Identität als Kommunikations- und Treffpunkt. Gleichzeitig werden historische Zusammenhänge eröffnet und die Ressource Strom spielerisch thematisiert. Die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit bei der Umwandlung von körperlicher Bewegung in nutzbare Energie in Form von Strom ist für alle möglich.

Das Projekt wird durch eine Kooperation mit dem Ludwig-Uhland-Gymnasium begleitet. Dort wird im Rahmen eines Schüler*innen-Workshops eine weitere Möglichkeit geschaffen, um interaktiv auf dem Schulgelände mittels individueller Muskelkraft elektrischen Strom für Endgeräte zu erzeugen.

Seit 2007 ist Sebastian Fleiter ein Vorreiter in Sachen nachhaltiger Energieerzeugung und wurde beispielsweise mit dem Designpreis der Bundesrepublik Deutschland in Gold ausgezeichnet. Er erhielt den internationalen Green Apple Award in Westminster Abbey/UK, den Green World Award in Seoul/Südkorea, und wurde Landessieger des EIT Climate KIC Startup-Programms der Europäischen Union. Im Jahr 2020 wurde Fleiter vom Green Guardians Guide des international erscheinenden IQ-Magazin als einer der weltweit einflussreichsten Künstler zum Thema Nachhaltigkeit im Bereich Musikfestivals und Großveranstaltungen ausgezeichnet.